Freitag, 13. Dezember 2013
Freitag, 18. Oktober 2013
Der Club der (toten) Dichter
"Mir scheint jeder Irrtum, den wir begehen,
wertvoll, jede Einsicht, jede Tugend und ihre Metamorphose in eine Untugend,
jedes Changieren zwischen Gut und Böse so wichtig, daß man es in dieser Form
einfangen und kenntlich halten muß, damit die Kommunikation sich substantiell
verschnellert. Im Augenblick verschnellert sie sich unter Substanzverlusten.
Das läßt sich ändern. Das ist, wenn Sie so wollen, Gartenbau in der Literatur.
Ich denke an eine Literatur der Autoren ähnlich dem Kino der Autoren. Es wäre
schön, wenn sich da mehrere Dichter zusammenschlössen - Durs Grünbein,
Schlingensief, ich, Peter Weiss und Max Frisch, wenn sie lebten, und einige
andere. Dann könnten wir beispielsweise in das Gewand von Musil schlüpfen und
den Mann ohne Eigenschaften weiterschreiben oder an Prousts Recherche
Fälschungen anbringen und Paralipomena erfinden. Das wäre Dichtung."
(Alexander Kluge)
(Alexander Kluge)
Donnerstag, 19. September 2013
Die dichteste Nähe
Interviewer: Nicht nur Tacitus oder Homer
nennen Sie häufig als Vorbilder, sondern auch Marcel Proust. Wo sehen Sie die
Parallelen zwischen Proust und Ihnen? Ihren erzählerischen Miniaturen steht das
Riesenwerk der "Recherche" gegenüber.
Alexander Kluge: Ja, aber die "Recherche" ist ein Splittertext. Über sieben Seiten finden sich manchmal nur Worte, fast wie bei einer automatischen Schrift. Aber plötzlich gibt es einen Blitz, so wie der ganze Anfang auf einer einzigen Assoziation beruht, auf einem Geschmack, der besonders schwer wiederzugeben ist. Proust schreibt keineswegs anders. Und wenn in "Die Lücke, die der Teufel läßt" eine Geschichte über Proust enthalten ist, dann sind diese acht Zeilen mit allen Nerven, die Texte lieben können, Proust nachempfunden, quasi als eine Reverenz.
Interviewer: Ist die direkteste Reverenz nicht das Zitat?
Alexander Kluge: Die direkteste ist die Liebe. Wenn ich also ganz innig an Proust denke und niemand merkt, dass ich in Gedanken an ihn geschrieben habe, dann wäre dies die dichteste Nähe.
Alexander Kluge: Ja, aber die "Recherche" ist ein Splittertext. Über sieben Seiten finden sich manchmal nur Worte, fast wie bei einer automatischen Schrift. Aber plötzlich gibt es einen Blitz, so wie der ganze Anfang auf einer einzigen Assoziation beruht, auf einem Geschmack, der besonders schwer wiederzugeben ist. Proust schreibt keineswegs anders. Und wenn in "Die Lücke, die der Teufel läßt" eine Geschichte über Proust enthalten ist, dann sind diese acht Zeilen mit allen Nerven, die Texte lieben können, Proust nachempfunden, quasi als eine Reverenz.
Interviewer: Ist die direkteste Reverenz nicht das Zitat?
Alexander Kluge: Die direkteste ist die Liebe. Wenn ich also ganz innig an Proust denke und niemand merkt, dass ich in Gedanken an ihn geschrieben habe, dann wäre dies die dichteste Nähe.
Montag, 22. April 2013
Augenblicke absoluter Perfektion
Manchmal, wenn ein Augenblick absolute Perfektion erreicht,
kann es sein, dass einem das Herz stehennbleibt. Die Zeit beginnt
verrückt zu spielen, wird langsamer, hört ganz auf zu vergehen
oder wird schneller. Das Internet ist voll mit Videoaufnahmen
solcher Augenblicke, zum Beispiel die von den Zwillingen, die die
Straße überqueren wollen und von zwei parallel fahrenden Bussen
überfahren werden. Noch schöner ist es, wenn man solche
Augenblicke selbst erlebt. Und am schönsten, wenn man sie selbst
erzeugt.
(S. 138, Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes - Clemens J. Setz)
(S. 138, Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes - Clemens J. Setz)
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