Dienstag, 11. Juli 2017

To be or not to be

Frantz von Francois Ozon


Die berührenste Szene ist in diesem so zarten wie zurückhaltenden Film eine sehr kurze. Der Film selbst ist in seiner Bildsprache buchstäblich den Gefühlen und Stimmungen seiner Figuren unterworfen. Eigentlich die meiste Zeit über in traurigem Schwarz-Weiß gehalten, hellt er sich immer dann auf, wenn sich auch die Blicke der Protagonisten heben oder sich eine leise Hoffnung in ihre Gesten und Entscheidungen schleicht. Der Film, die Gesichter und Gegenstände der Geschichte bekommen Farbe und treten behutsam in ein weicheres Licht. In besagter Szene spielt Adrian, der Franzose, der scheinbar mit dem ermordeten Frantz befreundet war, auf der Geige, die einst Frantz gehörte - und bricht kurz nachdem seine fragile, melancholische Gestalt an Zuversicht und Farbe gewonnen hat in sich zusammen. So schnell wie das Geigenspiel abbricht und sein Körper auf dem Boden zerschellt, so schnell und fast flüchtig entweicht auch die Farbe aus dem Filmbild - einem Aquarell gleich, dem man rückwärts gewandt das Wasser und somit alle Farbe und Lebendigkeit entzieht.

Überhaupt: Ein Film, der mit der schmerzlichen Präsenz der Vergangenheit spielt, stetig zwischen den verschiedenen Ebenen, Verwechslungen, Verstellungen und notwendigen, Leben rettenden Lügen oszilliert. Das Erschaffen und Ausmalen von Bildern und Erzählungen aus eigenen und erdachten Erinnerungen gegen die Trauer und das Schwarze und Weiße, das ist es, was diesen Film diktiert. Die Toten liegen nicht an den vorgegebenen Gräbern und Wendungen sind in diesem Film zahlreich und unendlich schwer zu ertragen. Zugleich strahlt aus bestimmten gesponnenen Erzählungen, man denke nur an die Eltern des verstorbenen Frantz, die unendlich dankbar den kleinen Geschichten um ihren Sohn lauschen, die ihnen Adrian erzählt, zutiefst notwendiger Halt und Fortbestand. Ohne die Imagination wäre die Farbe verloren.

Als eine wichtige Referenz ist der Louvre mit seinen vielen Gemälden gewählt und es ist ein Bild aus eben jenen Gängen, betrachtet von den zwei Männern - vielleicht - und der Hauptfigur, Anna, am Ende des Filmes, das sie verändert. Das Gemälde, in ferner Vergangenheit gemalt, strahlt mit seinen Farben auf Anna, nieder. Ihr Gesicht und ihr weiter Blick, sie sind das Schlussbild des Filmes.

Dienstag, 4. Juli 2017

Leinen, Wald und Licht

The Beguiled von Sofia Coppola


Auf manche neuen Filme freut man sich mehr als auf andere. Vielleicht, weil besondere Schauspielerinnen mitspielen, die man sehr mag und die man lange nicht mehr auf der großen Leinwand gesehen hat. Oder auch, weil die Regisseurin geschätzt wird. Auch kann von Bedeutung sein, dass jene Schauspieler oder diese Regisseure einen schon das halbe Leben lang begleiten und sie einem von daher sehr nahe sind und mit seltsam vielen persönlichen Erinnerungen verknüpft sind.

Auf den neuen Film von Sofia Coppola, den ich gerade im Kino sah, trifft all dies zu. Es spielen unter anderem Nicole Kidman und Kirsten Dunst mit, des Weiteren Colin Farrell und Elle Fanning. Ein sehr schönes und interessantes Casting also und glücklicherweise hält der Film, was er an Träumen und Erwartungen in meinem Kopf zuvor ausgelöst hat. Sofia Coppola ist besonders gut darin Stimmungen zu erzeugen und Frauen auf eine sehr zarte und behutsame Weise zu inszenieren. So auch in diesem Fall. In vielen Momenten hat mich dieser Film an Peter Weirs »Picknick at Hanging Rock« erinnert, der allerdings weitaus weniger offensichtlich ist und dem Zuschauer mehr Rätsel als Auflösungen schenkt. In beiden Filmen laufen Nuancen verschiedenster Weiß- und Beigetöne durchs Bild, in der Gestalt von langen Frauenkleidern in schlichten, aber anmutigen Farben, die sich mit ihrer Behutsamen Helligkeit von der dunkleren Natur abzeichnen. Auch hat das Außen und die Natur in beiden Filmen eine wichtige Wirkung – wenn auch in Weirs Film eine weitaus fatalere und autonomere. Dass ist es auch, was Peter Weirs Film dem von Coppola voraus hat: Seine unheimliche Ambiguität. Dennoch: der neue Film von Coppola transportiert in vielen kleinen Szenen Wunderbares. 

Ein Film der Blicke und kleinen Bewegungen, der es mit großer Unaufdringlichkeit schafft eine flirrende Atmosphäre des Begehrens zu erschaffen. Das Licht mit seiner zurückhaltenden Dominanz von nebelhaften Sonnenstrahlen und Kerzenschein tut sein übriges um diesen Eindruck zu verstärken. Schon lange empfand ich das Licht in einem Film nicht mehr so sinnlich, wie in diesem. Es erinnert mich an Barry Lyndon von Stanley Kubrick, der mit nichts Weiterem als eben jenem Kerzen- und Tageslicht ausgeleuchtet wurde. Besonders sind auch die vielen Standbilder und Aufnahmen von alten Bäumen, im Garten des herrschaftlichen Hauses und im nahegelegenen Wald. Vielleicht hätte ich mir den Film noch ein wenig länger gewünscht, mit einer noch etwas langsameren Entwicklung. Ganz entschieden habe ich mich noch nicht, ob ich genau sagen kann wer von den Parteien in diesem Film gewonnen hat und ob es diese klare Grenze zwischen den Frauen und dem einen Mann überhaupt zu ziehen gilt. Auch schwanke ich zwischen Verurteilung und Belustigung, denke ich an diese großartige Szene, in der sich alle Frauen beeilen dem neuen Mann im Haus beim ersten gemeinsamen Essen zu gefallen. Natürlich ist es schmerzhaft zu sehen, wie sie sich dabei verlieren, zugleich ist es aber auch auf eine sehr lustige und verständnisvolle Weise inszeniert, das man nicht anders kann als wissend zu schmunzeln.