Helmut Berger, meine Mutter und ich
Dokumentarfilm von Valesca Peters (Deutschland
2019)
Am Anfang steht eine so simple wie verrückte
Idee: Bettina Vorndamme, die ländlich-beschaulich in Niedersachsen wohnt,
recherchiert aus Langeweile im Internet nach dem großen Star und Schauspieler
Helmut Berger, der besonders durch die Filme "Die Verdammten" und
"Ludwig", beide gedreht von Luchino Visconti in den 70er Jahren,
berühmt wurde und in den 60er und 70er Jahren lange als schönster Mann der Welt
galt. Sucht man jedoch aktuell nach Videos und Aufnahmen im Internet zu Helmut
Berger, fallen einem Auftritte Bergers in Fernsehshows wie etwa Markus Lanz
oder Das Dschungelcamp in die Hände, die eine tragisch-komische Figur zeigen,
in die sich Helmut Berger nach seinem Ruhm verwandelt hat. Die Diskrepanz
zwischen dem schillernden, gut aussehenden jungen Helmut Berger und dem
gealterten, alkoholabhängigen Helmut Berger der Jetztzeit und jüngeren
Vergangenheit beleuchtet dieser Dokumentarfilm auf sehr eindrückliche und
simple Weise. Hoch anzurechnen ist es dem Film, dass er die späteren Auftritte
Helmut Bergers nicht etwa in Archivaufnahmen zeigt und somit in keiner einzigen
Szene Helmut Berger und seine eigenwillige Art bloßstellt.
Nicht nur mit dieser Entscheidung, sondern mit
der gesamten Art des Filmes, gelingt es der Regisseurin Valesca Peters woran
beispielsweise der schmierige Moderator Markus Lanz in seiner gleichnamigen
Talkshow scheitert: ein ernst gemeintes und vielschichtiges Porträt einer
komplizierten Persönlichkeit zu zeichnen ohne sie ins Lächerliche zu ziehen
oder sich über sie lustig zu machen. Eine der schönsten Szenen in diesem Film
ist dann auch jene, in der der mittlerweile 70-Jährige Helmut Berger mit sich
selbst ein Interview führt und in Teilen die oftmals sehr langweiligen und
peinlichen Fragen von Markus Lanz aus der damaligen Talkshow reenactet, indem
er sich diese selbst stellt und gleichzeitig mit ironischer Selbstdistanz dem
Zuschauer die gewünschte Antwort verweigert. Der Film gewinnt seine Stärke
durch seine absurden Zusammenkünfte: Der anstrengende und eigenwillige Helmut
Berger führt zunächst über lange Zeit Telefongespräche mit Bettina von Salzburg
aus, um dann im Laufe des Filmes und der Jahre zu ihr nach Niedersachsen zu
ziehen. Reflexionen über das Altwerden, den Verlust von Freunden und die
Schwierigkeiten die Permanenz der Einsamkeit zu ertragen durchziehen die Szenen
des Films und sind zugleich gepaart mit den Sorgen und den Überforderungen von
Bettina, die nach und nach beginnt Helmut Bergers Schauspielerkarriere neu zu
ordnen. Absurde, lustige Szenen flankieren den Film, wenn etwa ihre eigene
Küche zum künstlerischen Betriebsbüro für Helmut Berger umfunktioniert wird und
sie versucht die plötzlich wiederauftauchenden Anfragen entgegenzunehmen.
Der Film wechselt zwischen Filmaufnahmen des
jungen Berger und harten Schnitten in die Gegenwart, die ihn lachend und sehr
fragil neben Bettina und den anderen Familienmitgliedern sitzen lassen. Auch
von großen Ausbrüchen und Streits, die oftmals mit seinem Alkoholismus
zusammenhängen berichtet der Film. Interessant ist dabei, dass diese nicht
ausschlachtend gefilmt, sondern von Bettina in die Kamera ihrer Tochter
nacherzählt werden. Einmal sagt Helmut Berger in dem Film Erinnerungen seien im
Alter das, was in der Jugend die Träume sind. So kommt es dem Zuschauer vor:
erzählt Helmut Berger von seinen vergangenen Zeiten als großer Star des
europäischen Kinos und von seiner großen Liebe Luchino Visconti, mit dem er 12
Jahre bis zu dessen Tod zusammen war, verschwimmen die Grenzen zwischen Traum
und Wirklichkeit, eröffnen sich neue Realitäten, so unwirklich und vergänglich
wie das Leben selbst. So ist dieser simple und doch sehr kluge Film
schlussendlich ein Film über die eigene Vergänglichkeit und die Wichtigkeit von
Bezugspersonen, ein Film über die Liebe zu Kino und Familie.