Freitag, 7. September 2007

Der Junge mit dem Perlenohrring

Ein Junge, im Profil, schaut aus einem Fenster.
Sein Blick ist wachsam, konzentriert. Es ist Hallam, er sitzt in seinem Baumhaus, ein Fernglas in der Hand. Er beobachtet. Nebelig und weit ist es da draußen, das Holz ist klamm, seine Hände sind kalt. Glücklich ist er, aber ein Schatten liegt auf seinem Herzen. Verlust und Tod flüstert der Schatten. Dort unten, tief unten im nassen See, da ist sie hingetrieben.
Tot, das ist sie. Seine Mutter.
Hallam, er ist noch immer da, in dem Baumhaus, aber ihm fehlt etwas.
Roter Lippenstift, schwarze Farbe unter die sanften Augen, ein Dachsfell auf dem Kopf, das ist Hallam Foe.
Er beobachtet die Menschen, schreibt, zeichnet deren Leben auf. Ist lieber auf dem Baum mit sich alleine, als zusammen mit anderen. Mag es die Welt und den Himmel zu betrachten, von roten Dächern aus. Auf Dachziegeln wandern, durch gelb erleuchtete Fenster blicken, das Leben dahinter…
Klettert Regenrinnen hinauf. Sucht nach dem, was ihm genommen wurde. Blickt hinter dem weißen, hell erleuchteten Ziffernblatt einer Turmuhr auf das schlafende Edingburgh.
Manches Mal liest Hallam die Geburtstagskarte, seine Geburtstagskarte von der er doch schon jedes Wort auswendig kennt. In Liebe, Mummy steht da. Traurig, so schrecklich traurig macht ihn das. Wo ist sie nur? Wo ist sie?
Er zieht ihr graues, leichtes Kleid an, ein bisschen nur, ein bisschen von der alten Geborgenheit.
Ihr Ohrring hängt an seinem Ohr. Es blutet.
Ein Tropfen, zärtlich, vorsichtig verstrichen auf dem schon ganz faltigen Umschlag.

Er meint seine Mutter wieder gefunden zu haben. Er schaut in ihre warme, goldgelbene Wohnung hinein. Und dann, durch ein Wunder, ist er nicht mehr über ihr, auf dem Dach, sondern bei ihr, in ihren Armen. Der Hallam draußen in der dunklen Nacht winkt dem Hallam im geborgenen Bett zu.
Er hat es geschafft, der Schatten in seinem Herzen beginnt sich langsam zu lösen. Aber völlig verschwinden wird er nie. Schatten bleiben.
Sie in dem Kleid seiner Mutter, so schön, so schmerzlich schön und traurig.


Auch die Wut ist groß, die Trauer und Wut darüber, dass sie ihn verlassen hat. Sie hat dich geliebt sagt der Vater. Ja aber nicht genug um bei mir zu bleiben antwortet Hallam. Da umarmen sich beide und einmal mehr fühlt man ein Stechen, fühlt wie wahr diese Szene, wie wahr dieser gesamte Film ist.
Und man spürt wie gut Jamie Bell wirklich ist.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Joann,

ganz ganz ganz wundervoll. Wunderschöner Eintrag. Ein ganz großes Kompliment meinerseits. :)

Lieber Gruß,
Anne